Ein Leben auf der Achterbahn.

Monat: Februar 2022 Seite 2 von 3

Integration

Seit letztem Sommer arbeite ich nicht mehr. Ich war in dieser Zeit beschäftigt mit Therapien, Klinikaufenthalten etc. Das habe ich an anderer Stelle in diesem Blog bereits erläutert. Ich lebe momentan also von einer Rente der IV sowie einer Rente der Pensionskasse.

Heute konnte ich mich nun bei einer Stiftung vorstellen. Es geht darum, dass ich allenfalls drei halbe Tage in der Woche in einer Werkstatt arbeiten kann. Um zu schauen, ob das passt, kann ich in zwei Wochen schnuppern gehen.

Die Arbeit in dieser Werkstatt wäre mein erster Schritt, um mich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Ich bin froh, dass es Angebote gibt, die es erlauben, erste (kleine) Schritte auf diesem Weg zu gehen.

Unterstützt und beraten werde ich dabei von einer genialen Sozialarbeiterin von Pro Infirmis. Allein wäre ich ratlos dagestanden. Bemerkung am Rande: Pro Infirmis hat in meinem Fall wirklich gute Arbeit geleistet. Die Organisation betreibt Beratungsstellen und unterstützt Menschen mit Behinderung (auch mit psychischer Beeinträchtigung). Eine Spende ist sicher immer eine gute Idee…

Ob es mit der Stelle für drei Tage wirklich funktioniert, wird sich zeigen. Ich werde euch sicher auf dem Laufenden halten.

Wieder Zuhause

Die letzten anderthalb Jahre verbrachte ich zu einem grossen Teil in der Klinik. Wegen der EKT, weil ich sehr viele Medikamente nehmen musste und da ich mich psychisch in Ausnahmesituationen befand, kann ich mich an viele Dinge nicht mehr erinnern. Im Nachhinein ist das für mich eine dunkle Zeit.

In dieser Phase lebte ich sozusagen für mich allein. Ich war abgeschieden in verschiedenen Kliniken, wurde dort umsorgt und konnte mich nur um mich und meine eigenen Probleme kümmern. Auf der anderen Seite waren meine Frau und mein Sohn allein zuhause. Sie mussten den Alltag ohne mich gestalten. Trotz regelmässigen Telefonaten und Besuchen, gewöhnten wir uns an ein Leben getrennt voneinander.

Jetzt bin ich wieder daheim und wir müssen uns alle neu darauf einstellen. Mein Sohn hat meine Frau gefragt, ob ich denn jetzt wieder definitiv hier wohne. Für ihn ist das nicht mehr normal. Ich muss mich ausserdem wieder daran gewöhnen, meinen Teil im Haushalt zu übernehmen, bereits die kleinsten Aufgaben sind für mich ungewohnt. Ich muss auch den Rhythmus im Zusammenleben wieder finden. Dies beginnt schon bei der Kommunikation. Meine Frau, mein Sohn und auch ich brauchen dabei viel Geduld miteinander.

Neben den normalen Herausforderungen des Familienlebens, muss ich noch mit meinen Stimmungsschwankungen klarkommen. Die sind nicht einfach ganz weg. Zum Glück konnte mich gestern meine Frau zur Psychiaterin begleiten. Dort konnten wir Lösungen finden, um diesen Prozess zu unterstützen.

Trotz allem freuen wir uns, wieder einen gemeinsamen Alltag als Familie zu haben. Ich konnte schon einige schwierige Situationen überwinden, bei denen ich im letzten Jahr noch in der Klinik gelandet wäre. Und ich halte mich an die Worte meines Sohns: «Papi, es ist schön, dass du wieder da bist!» Sie geben mir Kraft und ich bin dankbar, dass ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat.

Anspannung

Ich weiss nicht, ob das sonst noch jemand kennt. Manchmal bin ich extrem angespannt. Ich kann diesen Zustand dann weder einer manischen noch einer depressiven Phase zuordnen. Die Gefühle sind komplett durcheinander.

Jetzt liege ich mitten in der Nacht wach im Bett und habe das Gefühl mein Herz explodiert. Meine Reservemedikation hilft auch nur beschränkt. Vor lauter Anspannung ist es mir richtig übel.

Ich habe in den letzten Jahren viele Strategien erlernt, um mit solchen Zuständen umzugehen. Doch manchmal ist es unglaublich anstrengend diese auch anzuwenden. Ich muss mich richtig zwingen, aktiv gegen die Anspannung anzugehen. Ansonsten liege ich einfach reglos im Bett und die Situation wird nur noch schlimmer.

Ausgelöst können diese Phasen durch Kleinigkeiten werden. Heute liegt es wahrscheinlich daran, dass ich zwei Tage lang krank im Bett lag. Nebenwirkungen der Corona-Booster-Impfung… Es ist frustrierend, wenn man erkennt, dass die eigene Belastbarkeit so unter der Erkrankung gelitten hat.

Nun gut. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass Anspannungszustände auch wieder vorbeigehen. Ich muss sie nur aushalten und mit sinnvollen Aktivitäten überbrücken.

Hast du Tipps, wie man mit starker Anspannung umgehen kann? Schreib es doch in die Kommentare (auf den Titel des Artikels klicken und nach unten scrollen).

Arbeit

Sehr einschneidend betrifft die Krankheit meine Arbeitssituation. Vor meiner ersten Depression war ich ein gut funktionierender Polizist. Ich arbeitete im Schichtdienst auf einem Polizeiposten.

Eines Tages übermannten mich die depressiven Gefühle und ich stürmte aus dem Posten. Ich ging nach Hause und legte mich ins Bett. Es resultierte eine mehrwöchige Abwesenheit vom Arbeitsplatz.

Die Krankheitstage häuften sich, obwohl ich zwischendurch immer wieder arbeiten konnte. Irgendwann wurde ich in den Innendienst bei der Kriminalpolizei versetzt. Dort versuchte ich mein Arbeitspensum wieder langsam zu steigern. Dies mit Unterstützung der IV.

Ich absolvierte auch externe Arbeitstrainings, zum Beispiel im Service in einem Restaurant, die von der IV organisiert wurden. Irgendwann musste ich jedoch bei einem Psychiater ein Gutachten erstellen lassen. Dieser kam zum Schluss, dass ich nur noch zu 50% arbeitsfähig war.

Meine Arbeitgeberin, vor allem die zuständige Mitarbeiterin des Personaldienstes, unterstützte mich vorbildlich. So konnte ich intern nochmals die Stelle wechseln.

Die ganze Zeit wurde ich von meinen Arbeitskolleg:innen gut aufgenommen. Ich fühlte mich nie ausgeschlossen.

Nach einem erneuten Gutachten bin ich nun zu 100% arbeitsunfähig. Das war nötig, da ich immer wieder ausgefallen bin. Ich suche nun aber nach einer Möglichkeit, ein paar Halbtage an einer geschützten Stelle zu arbeiten. Für mich ist es manchmal frustrierend, aber ich muss mir mein Arbeitsleben jetzt ganz langsam von vorne aufbauen.

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

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