Ein Leben auf der Achterbahn.

Kategorie: Medikamente Seite 1 von 2

Genesung

Ich bin noch hier. Seit mehreren Monaten bin ich nicht mehr in der Klinik gewesen. Wenn ich mir anschaue, wie oft ich im letzten Jahr in der Klinik war, dann ist das eine signifikante Verbesserung.

Ich lerne immer mehr, im normalen Alltag wieder zu funktionieren. Familienleben, Haushalt, Beziehungen… Überall mache ich Fortschritte. Meine Krankheit tritt vermehrt in den Hintergrund. Ich kann mich neu definieren – ich bin nicht mehr nur meine Krankheit.

Wie kam es zu dieser Trendwende? Wahrscheinlich kann man dies nicht so einfach sagen. Folgende Punkte haben aber sicher dazu beigetragen:

  • Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
  • Neue Medikamente, die im letzten Klinikaufenthalt eingestellt worden sind
  • Fortschritte in der Psychotherapie

Jetzt gilt es, Gelerntes umzusetzen und mein Leben diszipliniert zu gestalten. Ich habe einen Schlafrhythmus, an den ich mich halte, nehme regelmässig meine Medikamente, übernehme Verantwortung im Haushalt, bei Aufgaben im Familienalltag und betreibe regelmässig Sport.

Mir war es auch möglich, einen Städtetrip nach Paris mit meinem Vater zu machen. Ohne Reservemedikation zu brauchen. So kann es aus meiner Sicht gerne weitergehen. Zurück zu einem «normalen» Leben. Ich melde mich hier wieder.

Psychotisch in der Klinik

Jetzt gerade sitze ich in meinem Einzelzimmer und schaue aus dem Fenster. Ich kann das Fenster zwar öffnen, doch eine dicke Glasscheibe davor hindert mich daran, aus dem Fenster zu steigen. Psychische Gesundheit verläuft nicht linear. Schon wieder bin ich in der Klinik. Wegen psychotischer Symptome, die meine bipolare Störung von Zeit zu Zeit begleiten.

Immerhin ein Einzelzimmer. So habe ich meine eigenen vier Wände. Ich stelle mir vor, dass das Zimmer eines Mönches ähnlich spartanisch eingerichtet ist. Ein Bett, ein Tisch mit Stuhl und ein Kleiderschrank. An das Whiteboard oberhalb des Tischs habe ich ein Bild von meiner Frau, meinem Sohn und mir aufgehängt. Das macht das Zimmer immerhin ein bisschen wohnlicher.

Eigentlich hätte ich Grund zur Freude. Mein Probearbeiten verlief gut und ich wurde von der Stiftung angestellt. Drei Vormittage in der Woche kann ich nun in einem kleinen Kaffee mitarbeiten. Nur musste ich jetzt schon in der ersten Woche fehlen. Und meine Abwesenheit wird noch einige weitere Wochen dauern.

In der Klinik werden meine Medikamente angepasst. Das ist anstrengend. Die Nebenwirkungen des neuen Präparats machen mir zu schaffen. Ich bin ständig müde, fühle mich wie ein Faultier, das regungslos an einem Ast hängt und sich nur selten zu einer Bewegung durchringen kann. Die Medikamentenumstellung bedeutet auch, dass ich noch mehrere Wochen in der Klinik bleiben muss.

Wollt ihr noch mehr wissen? Interessiert euch meine Psychose? Meldet euch doch bei mir. Auf alle Fälle wünsche ich euch schöne und sonnige Pfingsten. Bis zum nächsten Mal.

Schlaf

Ich schreibe diese Zeilen um 02:55 Uhr in der Nacht. Das ist nicht sehr optimal. Eigentlich sollte ich um diese Zeit schlafen.

Schlaf ist wichtig. Normalerweise ist mein Schlaf nur in manischen und depressiven Phasen gestört. Aber seit einigen Monaten wache ich immer so zwischen 01:00 und 03:00 Uhr auf, obwohl ich meistens einigermassen ausgeglichen bin.

Die schlaflosen Stunden mitten in der Nacht sind quälend lang. Mich einfach wieder im Bett umdrehen und weiterschlafen kann ich nicht. Ich habe gelernt, dass ich mich für etwa eine Stunde beschäftigen muss. Irgendwie. Anschliessend schlafe ich dann meist wieder ein.

Mit Medikamenten kann ich meinen Schlaf unterstützen. Meistens nehme ich vor dem Schlafen ein pflanzliches Präparat. Das hilft so ein bisschen. Ich habe auch noch eine stärkere Tablette, die ich nehmen kann. Diese macht jedoch abhängig. Deshalb versuche ich, wenn immer möglich auf sie zu verzichten. Ich wünsche allen guten Schlaf und daraufhin einen guten Tag (auch wenn es nach Krieg im Osten aussieht).

Verfolgungswahn

Normalerweise trage ich ja immer meine Umhängetasche mit mir herum. Da drin habe ich einen Beutel mit all meinen kleinen Hilfsmitteln, die mir helfen, mich selbst zu regulieren. Ausserdem sind da auch Reservemedikamente für den Notfall drin.

Heute ging ich mit meiner Frau und meinem Sohn nach Zürich. Da es mir so weit in Ordnung ging, entschied ich mich, meine Tasche nicht mitzunehmen. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Am Bahnhof sah ich eine Polizistin in Zivil, die ich vom Sehen her kannte. Das löste etwas in mir aus. Innert einer halben Stunde entwickelte ich einen starken Verfolgungswahn. Das habe ich manchmal, wenn es bei mir in Richtung Manie geht. Ich hatte das Gefühl, dass überall verdeckte Polizisten standen, die mich beobachteten.

Wir mussten dann möglichst schnell zurück mit dem Zug, damit ich meine Medikamente nehmen konnte. Diese verhindern, dass sich der Zustand zu einer voll ausgewachsenen Manie entwickelt.

Jetzt sitze ich hier und hoffe, dass die Wirkung der Medikamente bald eintritt. Ich habe das Gefühl, dass in unserer Wohnung Kameras und Mikrofone versteckt sind. Ausserdem rechne ich jeden Augenblick damit, dass die Sondereinheit unsere Wohnung stürmt. Tönt vielleicht skurril, fühlt sich aber für mich total realistisch an.

Hoffentlich geben euch diese Zeilen einen kleinen Einblick in einen psychischen Ausnahmezustand, wie ich ihn immer mal wieder erlebe. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.

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